Vorstellung des
Schwerpunktbereichs II
„Deutsches und
internationales Steuerrecht“
I. Der Schwerpunktbereich II als Teil des „Saarbrücker Modells“
Das „Saarbrücker Modell“ der
Juristenausbildung legt besonderes Gewicht auf die Vertiefung und Erweiterung
des im Grund- und Hauptstudium Gelernten in einem Schwerpunktbereich, der zu
einer frühzeitigen und ernst zu nehmenden Spezialisierung bereits vor dem
ersten Staatsexamen führt. Schon seit dem Wintersemester 2001/02 wurden
juristische Wahlfachveranstaltungen an der Universität des Saarlandes in einem
wesentlich erweiterten Umfang angeboten. Im Rahmen des Schwerpunktbereichs II
„Deutsches und internationales Steuerrecht“ (§ 9 Abs. 2 Nr. 2
Studienordnung für den Studiengang Rechtswissenschaft und Ordnung für die
Schwerpunktbereichsprüfung vom 1. Oktober 2003) steht in Saarbrücken nunmehr
eine der intensivsten steuerrechtlichen Universitätsausbildungen in Deutschland
zur Verfügung, was sich auch für spezialisierungswillige Jura-Studenten aus dem
übrigen Bundesgebiet als attraktiv erwiesen hat.
II. Das Steuerrecht in Rechtsordnung und Berufspraxis
Das Steuerrecht ist ein
Teilgebiet des öffentlichen Rechts. Verfassungsrechtliche Vorgaben spielen für
das Steuerrecht eine große Rolle; das Abgabenrecht als Eingriffsrecht war
Gegenstand eines Großteils der Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht. Von
diesen Verfahren haben nicht wenige für den steuerpflichtigen Bürger zum Erfolg
und z. T. zugleich zu wesentlichen Fortentwicklungen der allgemeinen Verfassungsrechtsdogmatik
geführt. Der verfahrensrechtliche Teil der Abgabenordnung und die
Finanzgerichtsordnung weisen starke Parallelen zum Verwaltungsverfahrensgesetz
bzw. zur Verwaltungsgerichtsordnung auf. Durch die Gewinnermittlungsmethode der
Bilanzierung ist das Steuerrecht eng mit dem Handelsrecht verknüpft; über die
eine Steuerpflicht auslösenden Tatbestände befaßt es sich mit einer Vielzahl
von wirtschaftlichen Sachverhalten und knüpft entsprechend an die
zivilrechtlichen Gestaltungen an, in denen sich diese vollziehen;
Besonderheiten gelten etwa bei mißbräuchlichen Gestaltungen. Die Normen des
Steuerstrafrechts stellen eine offensichtliche Brücke zum allgemeinen Teil des
Strafgesetzbuches sowie zur Strafprozeßordnung her. Die somit gegebene
intensive Verzahnung des Steuerrechts mit praktisch allen Rechtsgebieten
erklärt, warum gerade der – in all diesen Bereichen mit einem Grundlagenwissen
ausgestattete – Jurist im Sinne des Deutschen Richtergesetzes prädestiniert ist
für eine erfolgreiche berufliche Betätigung auf dem Gebiet der Steuern.
Zugleich verraten die hier aufscheinenden Kombinationsmöglichkeiten schon etwas
über die Bandbreite möglicher spezialisierter Tätigkeiten des Juristen auf dem
Felde des Steuerwesens.
Rechtssystematisch handelt
es sich beim Steuerrecht – wie bereits angedeutet – um ein Teilgebiet des öffentlichen
Rechts. Seine Bedeutung für die Berufspraxis übersteigt die der anderen
Einzelrechtsgebiete aber bei weitem. Dies gilt nicht nur im Hinblick auf die
Honorarumsätze der Beratungsberufe. Auch Personen, die sich für eine Verwaltungstätigkeit
interessieren, werden sich, wenn Sie schon aus dem Studium steuerrechtliche
Kenntnisse mitbringen, trotz Fehlens eines Prädikatsexamens oftmals erfolgreich
bei der Finanzverwaltung bewerben können. Schließlich steht für steuerlich vorgebildete
Juristen auch immer eine Reihe attraktiver Positionen bei Unternehmen, Verbänden
und im Wirtschaftsjournalismus offen. Unternehmer wissen, daß die Beschäftigung
mit dem Steuerrecht zugleich das Verständnis für betriebswirtschaftliche Vorgänge
schult. Es ist zudem eindeutig statistisch nachweisbar, daß auch Neugründungen
von Anwaltskanzleien mit steuerrechtlichem Schwerpunkt noch immer
vergleichsweise erfolgreich sind und eine gute Erwerbsgrundlage bieten können.
Dies gilt insbesondere dann, wenn man Zusatzqualifikationen als Steuerberater
bzw. Wirtschaftsprüfer erworben hat oder sich mit einem entsprechenden
Berufsträger in einer Sozietät zusammenschließt.
Auch wenn andere berufliche
Schwerpunkte gesetzt werden, sind Grundkenntnisse im Steuerrecht immer von
Vorteil, sehr häufig sogar unverzichtbar. So wird seriöserweise niemand als
Notar oder Anwalt für seine Mandanten Vertragsgestaltungen übernehmen können,
wenn er nicht zumindest ein Gespür für mögliche steuerliche Fallstricke hat.
Steuerliche Beratung führt
meist zu einer dauerhaften Mandantenbindung und zu verläßlich fließenden Einkünften
für den Dienstleister. Hiervon profitieren derzeit in erster Linie die
Steuerberater. Da die Juristen üblicherweise in der Ausbildung mit dem Steuerrecht
nicht in Kontakt kommen und sich auch später oftmals nicht an diese Materie
heranwagen, haben sie im Wettbewerb der Beratungsberufe große Teile gerade des
attraktivsten Terrains verloren. Dabei könnte der Rechtsanwalt mit seiner
umfassenden rechtlichen Kompetenz die übergreifende Beratung und Vertretung
gewerblicher Mandanten in steuerlicher, gesellschafts- und
wirtschaftsrechtlicher Hinsicht auf geradezu „natürliche“ Weise übernehmen und
– nachdem das Standesrecht nun insoweit gelockert ist – auch entsprechend
hierfür werben. Gerade im Bereich des Steuerrechts bieten sich mannigfaltige
Möglichkeiten, sich in den in Betracht kommenden Wirtschaftskreisen bekannt zu
machen; man denke etwa an die im Gegensatz zu vielen anderen juristischen
Aufsätzen tatsächlich vom potentiellen Klientenkreis gelesenen Veröffentlichungen
in unternehmensberatenden Publikationen.
Von diesen Aspekten ganz
abgesehen kann die Beschäftigung mit dem Steuerrecht gerade dem Juristen eine
enorme Befriedigung geben, da sich seine Tätigkeit stets in dem klassischen
Verhältnis eines (über-)mächtigen Staates zum gewaltunterworfenen Steuerpflichtigen
abspielt. Während sich steuerliche Berater mit anderem Ausbildungshintergrund
oftmals auf die von seiten der Finanzverwaltung verlautbarten Richtlinien
zurückziehen (müssen?), ist es eine typisch juristische Aufgabe, durch
Auslegung den wirklichen Inhalt des Gesetzes herauszufinden und dem
Steuerpflichtigen vor den Finanzgerichten zu seinem Recht zu verhelfen, ja ggf.
sogar die Unvereinbarkeit einer steuergesetzlichen Regelung mit höherrangigem
Recht darzulegen und diese Rechtsauffassung mit Hilfe des
Bundesverfassungsgerichts oder des Europäischen Gerichtshofs durchzusetzen.
Vergleichbar faszinierend ist es, wenn man als Steuerstrafverteidiger einen –
etwa weil die Staatsanwaltschaft bestimmte Regelungen eines
Doppelbesteuerungsabkommens und des Außensteuerrechts nicht kennt – in die Mühlen
der Justiz geratenen Mandanten gegenüber der Staatsgewalt verteidigen, ihm beispielsweise
vor einem wichtigen geschäftlichen Termin die weitere Untersuchungshaft
ersparen kann. Neben diesen traditionell-juristischen Tätigkeiten besetzen
steuerlich vorgebildete Juristen sehr erfolgreich das obere Ende des lukrativen
Marktes der Steuerplanung; im Bereich des internationalen Steuerrechts sind die
Juristen in der Literatur tonangebend. International (New York, London)
erreichen in diesem Segment bei entsprechender spezieller Qualifikation selbst
Einstiegsgehälter oft eine beachtliche Höhe.
III. Ausrichtung der Veranstaltungen des Schwerpunktbereichs
Die Veranstaltungen des
Schwerpunktbereichs II „Deutsches und internationales Steuerrecht“ sind darauf
ausgerichtet, die Grundlagen für den Umgang mit dem Rechtsgebiet des
Steuerrechts zu legen. Sie wollen nicht auf das Steuerberaterexamen vorbereiten,
sondern verfolgen bewußt einen juristischen Zugang. Es geht nicht um das Einpauken
von Richtlinien, sondern schwerpunktmäßig um die das Steuerrecht beherrschenden
Prinzipien, seine Systematik und Zusammenhänge, die beim berufspraktischen
„learning by doing“ allzu oft unter den Tisch fallen und vielen auf
steuerlichem Gebiet Tätigen fehlen. Die Ausbildung in den Schwerpunktbereichen
soll in erster Linie den Studenten die Möglichkeit geben, eine seinen
Interessen entsprechende Spezialisierung einzuleiten. Es läßt sich sehr häufig
beobachten, daß die Entscheidung für einen Schwerpunktbereich des ersten
juristischen Staatsexamens – ob gewollt oder ungewollt – faktisch zu einer
wichtigen Weichenstellung für die spätere berufliche Laufbahn wird. Diese
Erwägung gilt aufgrund der weiteren Aufwertung des Schwerpunktbereichs infolge
der Neufassung des Deutschen Richtergesetzes um so mehr. Es sollte bei
entsprechendem Interesse daher keinesfalls aus „examenstaktischen“ Gründen, aus
falscher Scheu vor dem bisher unbekannten Rechtsgebiet, auf die Entscheidung
für den Schwerpunktbereich Steuerrecht verzichtet werden.
In diesem Zusammenhang wird
darauf hingewiesen, daß die Problematik des weiten Zuschnitts des früheren
Schwerpunktbereichs „Wirtschaft und Finanzen“ im zweiten Staatsexamen nicht
mehr besteht. Nach § 29 Abs. 3 Satz 2 des neuen Juristenausbildungsgesetzes
(i.d.F. der Bek. v. 8. Januar 2004) soll heute im Prüfungsgespräch des zweiten
Examens der „Schwerpunkt der Ausbildung ... besonders berücksichtigt werden“.
IV. Prüfungsgegenstände und Veranstaltungsangebot
Mögliche Prüfungsgegenstände
des Schwerpunktbereichs II sind nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 der Studienordnung für
den Studiengang Rechtswissenschaft und Ordnung für die
Schwerpunktbereichsprüfung vom 1. Oktober 2003 das Allgemeine Steuerrecht unter
Einbeziehung des Steuerstrafrechts, aus dem Besonderen Steuerrecht das Einkommen-
und Körperschaftsteuerrecht, das Umsatzsteuerrecht und das Unternehmenssteuerrecht
sowie das europäische Steuerrecht, die Grundzüge des internationalen
Steuerrechts und das
zugehörige Prozeßrecht. Hierdurch ist die didaktisch vorteilhafte Konzentration
der Lehrinhalte auf das Ertrags- und Umsatzsteuerrecht mitsamt seiner
internationalen und verfahrensrechtlichen Bezüge ermöglicht worden.
Entsprechend werden im Wintersemester jeweils folgende Veranstaltungen angeboten:
Grundzüge der Buchführung und Bilanzierung (3 SWS), Allgemeines Steuerrecht (2
SWS), Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht (2 SWS), Umsatzsteuerrecht (1 SWS)
sowie ein Seminar und eine Übung mit Examensklausurenkurs. Jeweils im
Sommersemester stehen Vorlesungen zum Unternehmenssteuerrecht (2 SWS), zum
europäischen und internationalen Steuerrecht (3 SWS), zum finanzgerichtlichen
Verfahren (1 SWS) sowie zum Steuerstrafrecht (1 SWS) auf dem Programm. Auch die
Veranstaltungen im Sommersemester werden vervollständigt durch ein Seminar und
eine Übung mit Examensklausurenkurs. Im übrigen werden zusätzliche
Vertiefungsveranstaltungen angeboten.
In den Seminaren und Übungen
müssen für Zwecke der „Belegung“ des Schwerpunktbereichs bzw. als Voraussetzung
für die Meldung zum Examen keine schriftlichen Leistungen erbracht werden. Wer
allerdings den „Ausweis besonderer Qualifikation“ im Schwerpunktbereich im
Rahmen des Hochschulgrades eines Diplom-Juristen erwerben möchte, kann die
neben den beiden steuerrechtlichen Examensklausuren zu erbringende
steuerrechtliche Aufsichtsarbeit (fünfstündige Klausur) durch die erfolgreiche
Übernahme eines Referates im steuerrechtlichen Seminar ersetzen (§ 3 Abs. 4 der
Ordnung für die Verleihung des Hochschulgrades einer Diplom-Juristin/eines
Diplom-Juristen). Der auf diesem Wege zu erlangende Nachweis über vertiefte
Kenntnisse des Steuerrechts kann gerade auch dann, wenn die Gesamtnote des
Examens nicht im Prädikatsbereich liegt, zur Eintrittskarte für attraktive
Karrieremöglichkeiten werden. Im Vergleich zu den übrigen zur Verfügung
stehenden Schwerpunktbereichen besticht der Schwerpunktbereich II nämlich
dadurch, daß sie ein homogenes und unmittelbar praxisverwertbares Rechtsgebiet
vermittelt. Es ist dieses Vorhandensein unmittelbar verwertbarer Kenntnisse und
Fähigkeiten, welches vielen Absolventen der Betriebswirtschaftslehre oder des
Wirtschaftsingenieurwesens einen Übergang ins Berufsleben ermöglicht, welcher
sich im Vergleich zu jenem des durchschnittlichen Jura-Absolventen sehr viel
unproblematischer und schneller vollzieht.
Wenngleich die Veranstaltungen im Schwerpunktbereich nach dem Studienplan für das siebte bzw. achte Fachsemester vorgesehen sind, ist es uns wichtig, zu betonen, daß auch jüngere Studenten selbstverständlich herzlich eingeladen sind, die steuerrechtlichen Vorlesungen zu besuchen. Dies kann zum Zwecke des „Schnupperstudiums“ erfolgen; angesichts der nach der Neufassung des Deutschen Richtergesetzes weiter steigenden Bedeutung des Schwerpunktbereichs für das Examen wäre es darüber hinaus ideal, insbesondere die Veranstaltungen zum Allgemeinen Steuerrecht, zum Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht und zum Umsatzsteuerrecht zu einem möglichst frühen Zeitpunkt schon einmal gehört zu haben.
V. Inhalte der
einzelnen Veranstaltungen
1. Vorlesungen
Hinsichtlich der Inhalte der einzelnen Veranstaltungen wird auf die Vorlesungsgliederungen der Dozenten verwiesen, die Sie im Bereich „Steuerrecht“ der Homepage des Lehrstuhls finden können (http://wendt.jura.uni-sb.de).
2. Seminare
Die steuerrechtlichen Seminare gehören zum Veranstaltungsprogramm des Schwerpunktbereichs II und sollten daher von allen Hörern belegt werden. Sie dienen der wissenschaftlichen Vertiefung bestimmter steuerrechtlicher Fragestellungen und werden immer wieder auch von Studenten der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre, Doktoranden und Berufspraktikern genutzt. Von den Hörern im Schwerpunktbereich wird die Anfertigung eines Referates nicht erwartet.
3. Übungen
In den Übungen wird eine Auswahl aus dem in den Vorlesungen des laufenden Semesters behandelnden Stoffs fallmäßig vertieft. Auch Probeklausuren zur Examensvorbereitung werden in diesen Veranstaltungen gestellt und besprochen.
VI.
Literaturempfehlungen zum Einlesen
- Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl. 2002
- Birk, Steuerrecht, erscheint jährlich neu
(Spätsommer)
- Alpmann-Skripten zum Steuerrecht (Fallmethode):
Allgemeines Steuerrecht, Einkommensteuerrecht,
Bilanzsteuerrecht, Umsatzsteuerrecht, Internationales Steuerrecht,
Steuerstrafrecht
- Als Ausbildungszeitschrift steht die „Steuer und
Studium“ zur Verfügung (BWL-Seminarbibliothek)
- Einen geradezu spielerischen Zugang zur Materie
eröffnet das NWB-Lernquiz Steuerrecht